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Südsauerlandmuseum Attendorn Skulpturen des Mittelalters 1200 -1550 [1124]
Versperbild (Ralf Breer CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Ralf Breer (CC BY-NC-SA)
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Vesperbild

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Beschreibung

Im Zuge der Mystik wurden neue Bildformen entwickelt, die dem Verlangen der Menschen nach Nähe zu Gott Ausdruck verliehen. Das Vesperbild ist eines davon und entstand ohne Anregung durch einen biblischen Text, allein aus mystischen Vorstellungen. Bereits im Mittelalter ist die Bezeichnung Vesperbild geläufig. Es hat den Namen nach dem Stundengebet der Geistlichkeit, das den Tag in acht Gebetszeiten einteilt, die den Stufen der Passion entsprechen. Die Abendandacht, die sog. Vesper bezeichnet dabei jene Stunde zwischen Kreuzabnahme und Grablegung Christi, als Maria, wie man glaubte den Leichnam ihres Sohnes in Empfang nahm, um ihn zu betrauern. Das Vesperbild gehört in die Gruppe der Andachtsbilder und taucht erstmals im frühen 14. Jahrhundert in süddeutschen Frauenklöstern auf. Der bald volkstümlich gewordene Andachtstypus breitete sich schnell aus und ist seit dem 15. Jahrhundert auch in Italien und Frankreich zu finden. Hierher kommt die auch bei uns geläufige Bezeichnung Pietà für diesen Bildtypus.
Aspekte der Gottesmutterschaft und der Totenklage überlagern sich im Vesperbild und werden in variierenden Darstellungen auf unterschiedliche Weise verbunden. Zwar lässt sich eine gewisse historische Abfolge in der Typisierung des Vesperbildes und damit eine relative Chronologie erstellen, jedoch tauchen einmal gefundene Ausformungen stets wieder auf und die Typen gehen vielfach ineinander über und bilden Zwischenstufen mit fließenden Grenzen.
Das Motiv des Vesperbildes ist als Reduktion der Kreuzabnahme bzw. Beweinung Christi zu sehen, aber auch als Gegenpol zur Gottesmutter mit dem Kind: Die sitzende Maria hält den toten Christus auf ihrem Schoß, analog zum Mutter-Kind-Typus. Die Vesperbilder mit kindhaft kleinem Erlöser, zu denen auch die Skulptur aus Weringhausen zählt, formulieren diesen von dem berühmten Dominikanermönch Heinrich Seuse (1295 Konstanz - 1366 Ulm) beschrieben mystischen Gedanken der Gottesmutterschaft besonders eindringlich. Christus ist dabei gleichsam Attribut der Schmerzensmutter und Zeichen der Erlösung. Das Vesperbild aus Weringhausen zeigt eine weitere ikonographische Besonderheit: Maria sitzt auf einem Erdhügel, der durch Knochen und Schädel als Golgatha ausgewiesen ist. Ein seltenes Motiv, das ähnlich bei der sog. Bopparder Pietà aber auch bei der Marienklage aus Unna umgesetzt wurde. Beide Vesperbilder, um 1410/20 am Mittelrhein bzw. um 1430 wohl im Rheinland oder Westfalen entstanden, zeigen im weichen, fließenden Gewandfaltenaufbau die charakteristischen Merkmale des sog. Weichen oder Schönen Stils. Merkmale, die auch die hochwertige Schnitzarbeit des in die gleiche Zeitstufe zu ordnenden Vesperbildes der Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Attendorn aufweist. Zwar zeigt das Weringhauser Andachtsbild ebenfalls die weichen runden Faltenschwünge im unteren Gewandbereich, jedoch sprechen verschiedene weitere Merkmale für eine spätere Entstehungszeit: Anders sind hier die geschlossene Umrisslinie der Skulpturengruppe, das die Gottesmutter weit umhüllende Kopftuch und ihre Trauergeste mit der den Saum des Tuches zum Kopf führenden linken Hand. Diese Merkmale späterer Vesperbilddarstellungen und die doch eher als handwerklich zu bezeichnende Schnitzarbeit, machen eine Entstehungszeit des Weringhauser Vesperbildes um 1500 wahrscheinlich. Die altertümlichen Elemente sind möglicherweise damit zu erklären, dass das Vesperbild einem hochverehrten Andachtsbild nachempfunden wurde.

Die St. Appolonia-Kapelle in Weringhausen, ein Bau des 19. Jahrhunderts, ist nicht der ursprüngliche Aufstellungsort der hier vorgestellten Holzskulptur. Ihre Herkunft ist nicht überliefert. Denkbar ist, dass sowohl das Vesperbild, als auch die Skulptur der Heiligen mit Kinnbinde (Inv. Nr. 1125) aus dem Vorgängerbau der St. Albinus-Kapelle in Bamenohl stammen. Diese älteste für Bamenohl überlieferte Kirche wurde 1362 gestiftet und war der hl. Maria und Johannes Ev. geweihte.

Material/Technik

Holz (Eiche)

Maße

H 47 cm; B 28 cm; T 13 cm

Literatur

  • Arens, Andrea (Bearb.) (2008): Skulpturen des Mittelalters 1200 bis 1550 : die Sammlungsbestände des Südsauerlandmuseums Attendorn / Hrsg. Südsauerlandmuseum, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn. Berlin, S. 57-59
Südsauerlandmuseum Attendorn

Objekt aus: Südsauerlandmuseum Attendorn

Der volle Name des Museums lautet "Südsauerlandmuseum Attendorn - Museum für Kunst- und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn" Das...

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