Auf der Vorderseite ist eine goldgeprägte Beschriftung erkennbar: „Case, Navigation; Dead Reckoning / Type A-4 / Specification No. 94-40258 / Order No. 42-9952 P. / Leather Speciality Co.” Es handelt sich um ein Navigation Briefcase des zwischen 1941 und 1944 im Auftrag der United States Army Air Force gefertigten Type A-4. Es diente den Navigatoren zur Aufbewahrung von Karten, Papieren und technischen Hilfsmitteln zur Berechnung von Flugrouten. Die Taschen wurden im Auftrag der US Army Air Force unter anderem vom Familienunternehmen Korchmar in Naples im US-Bundesstaat Florida hergestellt.
Die Ledertasche wurde durch einen Offizier der Luftwaffe aus einem abgestürzten US-amerikanischen Bomber geborgen. Der Hauptmann war seit 1940/41 auf den Fliegerhorsten in Dortmund-Wambel und Werl stationiert. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die im Kommandobereich der Flughäfen abgestürzten alliierten Flugzeuge zu untersuchen. Auch musste er den Verbleib der Besatzungen klären. Bis zum Kriegsende sah er viele zerstörte Maschinen und zahlreiche getötete Crews in der Region.
Das Navigation Briefcase stammt wahrscheinlich aus dem Consolidated B-24H Liberator-Bomber „Pocatello Chief“. Die viermotorige Maschine mit der Seriennummer 42-99976 gehörte zur 576. Squadron der 392. Bomb Group. Sie war auf dem Stützpunkt Wendling in der ostenglischen Grafschaft Norfolk stationiert. Am Vormittag des 15. März 1944 sollten über 340 Flugzeuge der 8. US-Luftflotte mehrere Industriebetriebe bei Braunschweig bombardieren. Auf dem Rückflug wurde die „Pocatello Chief“ von deutschen Jagdflugzeugen und zuletzt auch noch durch im Raum Hagen liegende Flak-Batterien beschossen und dabei stark beschädigt. Gegen 12.15 Uhr stürzte die Maschine nahe Hiddinghausen bei Sprockhövel ab.
Im Bereich der Absturzstelle lagen nicht nur Flugzeugtrümmer weit verstreut. Auch die sterblichen Überreste der zehnköpfigen Crew im Alter von 19 bis 25 Jahren fanden sich bei dem Wrack. Der Luftwaffenoffizier nahm unter anderem die mit Navigationsgeräten, Karten und anderen Unterlagen gefüllte Tasche an sich. Bis in die sechziger Jahre nutzte der frühere Hauptmann die Tasche für berufliche Zwecke. Anscheinend um die Herkunft zu verbergen, nähte er ein Lederstück über die englischsprachige Beschriftung. Eine beim Absturz gerissene Halteschlaufe wurde ersetzt. 1994 überließ sein Sohn die Tasche dem Stadtmuseum.
Ralf Blank
Quellen: Regierungspräsident Arnsberg, Luftschutz-Tagesmeldung v. 15.3.1944; 8th USAAF, Missing Air Crew Report No. 3184, National Archiv II, College Park, Microfilm M1380, Fiche 1086