Obwohl es Berichte über dreidimensionale Großplastiken von Jesus am Kreuz vor 1000 gibt, sind nur wenige erhalten. Gemessen an der Anzahl der heute noch vorhandenen Kruzifixe ab dem Ende des 10. Jahrhunderts muss die Verbreitung dieser Skulpturen in der westlichen Kirche neben den bisherigen Bildern und Reliefs des Gekreuzigten enorm gewesen sein. Das Antlitz Christi aus der Diestedder Kirche gehört zu dieser Welle. Rudolf Wesenberg hat das Antlitz ab 1060 datiert und vermutete das Kloster Werden als Herstellungsort. Heute wird eine Herstellung in Westfalen angenommen. Das Antlitz wurde im 18. Jahrhundert im Reliquienrepositorium im Rücken eines zweiten, um 1100 datierten romanischen Kruzifixes in der Diestedder Kirche entdeckt, das wahrscheinlich zu der ersten Ausstattung der 1136 erstmals erwähnten Kirche gehört. Wegen des Alters der beiden Kunstwerke wird inzwischen vermutet, dass das Kruzifix für die Diestedder Kirche aus der naheliegenden und eng mit Diestedde verbundenen Abtei in Liesborn stammt. Wahrscheinlich wurde am Ende des 19. Jahrhunderts die Gesichtsmaske auf einen neuromanischen, aber wenig überzeugenden Corpus montiert, wo sie sich heute noch befindet.
Das Antlitz ist eine typische Darstellung des Gekreuzigten aus der Zeit der Romanik. Christus ist hier noch am Leben, aber seine schweren Augenlider fallen über das Auge, als Jesus seine Augen im Tode schließt. Zwar wird hier auf das Opfer des Heilands hingewiesen, da die Kreuzigung doch gezeigt wird, aber das körperliche Leiden des Opfers ist fast vollkommen unterdrückt. In dieser erhabenen, ja majestätischen Darstellung wird Christus als Sieger über den Tod und Herrscher der Welt präsentiert.