Fragment; schweres farbloses Glas, kleine Blasen; hochgezogene, nicht vollständig erhaltene Fußplatte, massiver Baluster, darüber gedrückter massiver Nodus, distelförmige Kuppa mit massivem Boden, Baluster sowie Nodus und Kuppaboden mit eingestochener Luftblase; unteres Kuppateil mit vier Reihen von jeweils elf geschliffenen ovalen Facetten umzogen.
Kelchgläser waren im Bereich der anspruchsvollen Tischkultur zu finden und besonders beim Adel und dem gehobenen Bürgertum beliebt. Der Glastyp besteht aus drei fest verbundenen Gefäßteilen: eine flache oder hochgezogene Fußplatte und darüber ein massiver oder hohler Schaft, der in den unterschiedlichsten Ausführungen mitunter ausgesprochen
künstlerische Qualitäten aufweist. Auf dem Schaft befindet sich der Kelch bzw. die Kuppa in Formvarianten von kugelig bis konisch oder sogar mehrpassig. Dieser vornehm-elegante Gefäßtyp setzt sich deutlich ab von eher schlichten Gläsern, die überwiegend für den täglichen Gebrauch gedacht waren. Der Herstellung eines Kelchglases liegt ein Entwurf zugrunde, der sich in erster Linie nach der vorgesehenen Gestaltung des Schaftes richtet. Dieser Gefäßteil war richtungsweisend für die weitere Fertigung von Fuß und Kuppa, um letztlich ein Produkt zu bekommen, das den Ansprüchen gehobener Gesellschaftskreise entsprach.
Kelchgläser wurden im 16. und 17. Jahrhundert, stellenweise noch bis in das 18. Jahrhundert hinein hauptsächlich nach venezianischen Vorbildern gearbeitet. Die Glashütten, vor allem in den südlichen Niederlanden, vereinzelt auch in Deutschland, standen deutlich unter dem Einfluss Venedigs. Trotz Verbotes wanderten venezianische Glasbläser aus und brachten mit ihrer Arbeitskraft auch ihre Kenntnisse und ihre Techniken in Glashütten nördlich der Alpen ein. Die Herkunft der «à la façon de Venise» hergestellten Gefäße ist daher oft nur schwer zu bestimmen. Die Gläser zeichnen sich durch eine extreme Leichtigkeit und Dünnwandigkeit aus, kombiniert mit einer klaren, farblosen Glasmasse.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts verlor Venedig langsam an Bedeutung für die Glasproduktion. Hervorragend gearbeitete Kelchgläser und Pokale kamen jetzt auch aus Deutschland. Im 18. Jahrhundert waren vor allem Gläser mit Schnitt- und Schliffdekor gefragt.
Erst mit der Erfindung eines dickwandigen, rein klarsichtigen Glases zum Ende des 17. Jahrhunderts war die Voraussetzung für die Anwendung des Glasschliffes geschaffen. Wie in der Bergkristallbearbeitung bereits bekannt, konnten nun auch hochwertige Kreidegläser an einer rotierenden Scheibe durch Schliff dekoriert werden. Diese kalte Veredelungstechnik wurde an dem fertig geformten und abgekühlten Glas vorgenommen. Durch das Abschleifen von Flächen entstanden relativ scharfkantige Facetten und geometrische Muster, die matt belassen oder anschließend auf Hochglanz poliert werden konnten. Dies ermöglichte eine reizvolle Lichtbrechung auf dem Hohlkörper.