(Zu antiken Fingerkunkeln im Allgemeinen siehe Objekt Nr. 254)
Diese Fingerkunkel ist eine Stiftung aus Privatbesitz.
Die Kunkel, deren Ringöse nur noch teilweise erhalten ist, besteht aus einem flachen Stab. Dieser ist am unteren Ende, im oberen Drittel sowie unterhalb der Spitze jeweils mit drei Kerben verziert. Den oberen Abschluss des Spinnrockens bildet eine flach gearbeitete figürliche Schnitzerei in Gestalt eines Hahnes.
Der Hahn wird in der griechisch-römischen Antike mit dem Totenreich in Verbindung gebracht. So erscheint er als Begleittier der Unterweltsgöttin Persephone (bei den Römern Proserpina genannt) und wird z. B. innerhalb des Totenkultes als Opfer dargebracht. Darüber hinaus ist der Hahn ein übelabwehrendes Zeichen (Apotropaion), das vor dem "Bösen Blick" schützt. Zudem steht der Vogel insbesondere für Fruchtbarkeit und Liebe.
Nach christlicher Vorstellung leitet das Krähen des Hahnes am Morgen den Aufgang der Sonne und somit das Ende der Dunkelheit, in der böse Mächte ihr Unwesen treiben, ein. Besonders eindrücklich zeigt sich dieser Aspekt in der bekannten Episode aus dem Matthäus-Evangelium, welche die Verleumdung Jesu durch Petrus schildert (Mt. 26, 34): "Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen".
Als Schmuck an einer Fingerkunkel, die als Grabbeigabe dient, soll der Hahn die Verstorbene somit vor schädlichen Einflüssen bewahren.