Auf einem kleinen Podest sitzt ein älterer Mann, vermutlich der Meister, in einer Schusterwerkstatt schlafend vor seinem Arbeitstisch, ihm gegenüber steht gebeugt ein junger Mann, der gerade einen Schuh besohlt, mit einem Krug in der Hand und blickt über den geöffneten Krug auf sein Gegenüber. Er prüft vermutlich, ob der Meister fest schläft, vielleicht schaut er, wie viel der Meister getrunken hat. Die Szene wird von einer älteren Frau, die in der Tür rechts steht, beobachtet. Die Werkstatt wirkt unordentlich, ein Schemel ist umgefallen.
Der Stich geht auf ein Gemälde des Münchner Malers Friedrich Ortlieb (1839–1909) zurück, der für seine Genrebilder bekannt war. Während in Kinder- und Jugendbüchern bis zum Ende des 19. Jahrhunderts häufig Handwerke dargestellt wurden, waren sie in der bildenden Kunst eher selten ein Thema. Wenn Handwerker zum Bildinhalt wurden, dann nicht, um Arbeitsprozesse oder technische Entwicklungen zu zeigen, sondern um mit anheimelnden Szenen eine Gegenwelt zur Gegenwart zu schaffen. Die Verbreitung solcher Stiche erfolgte über verschiedene Wege, vor allem über populäre Zeitschriften, aus denen Bilder mitunter herausgeschnitten wurden, um als Wandschmuck zu dienen.
(Autorin: Anke Hufschmidt)