Slevogt malt sich im Akt des Malens selbst, seinen rechten Arm zur Leinwand erhoben, in seiner linken Hand die Palette und weitere Pinsel haltend. Dass dies seitenverkehrt erscheint, liegt im Arbeitsprozess begründet: der Künstler malt, was er beim Blick in einen neben ihm stehenden Spiegel sieht.
Vor dem tiefen Dunkel des Ateliers sind im Hintergrund die Gestalt seiner späteren Ehefrau und das markante Profil einer damals bekannten Tänzerin erkennbar. Im unmittelbaren Bildvordergrund steht mit zusammen gezogenen Brauen und einem konzentrierten Blick aus angestrengt und müde wirkenden Augen der Künstler.
Die erdigen Farbtöne dieses Portraits mögen in der dunklen Ateliersituation und in seinem früheren Studium an der Münchner Kunstakademie begründet sein, an der damals die Malerei des Realismus vorherrschte. Doch der sichere und schnelle Pinselstrich, mit dem er bei aller Skizzenhaftigkeit doch das Momenthafte und Charakteristische dieser Ateliersituation einfängt, lässt schon andere, modernere Einflüsse vermuten. Zur Entstehungszeit dieses Selbstportraits lebte Slevogt als freischaffender Maler in München. Später erst, in Berlin, entwickelte er sich mit einer farbintensiven, lichthaltigen, den Zauber flüchtiger Momente einfangenden Malerei zu einem der Hauptvertreter des deutschen Impressionismus.
Slevogt widmete sich in seinem Schaffen mehrfach dem Selbstportrait. Zwar gab es schon seit der Renaissance das Künstlerselbstbildnis, doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde es aufgrund der sich verändernden Stellung des Künstlers in der Gesellschaft zu einem Medium kritischer Selbstbefragung und künstlerischer Standortbestimmung, zu einem autobiographischen Dokument von Erfahrungen und Hoffnungen, Zweifeln und Widersprüchen - sowohl im Werk von Slevogt, Liebermann und Corinth als auch unzähliger anderer Künstler des 20. Jahrhunderts. S.B.