Im November 1965 wurde in Hagen ein neues Rathaus eingeweiht. Zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand es als Sinnbild für den Abschluss des Wiederaufbaus der Innenstadt. Der Bau war auch ein Erinnerungsort: Gemälde und Objekte sollten die Geschichte Hagens vermitteln. Wie kein anderes Kunstwerk im öffentlichen Raum verfügt das damals vor dem Ratssaal angebrachte Bronzerelief „Die zerstörte Stadt Hagen“ über eine besondere historische Aussagekraft. Heute befindet es sich neben dem Zugang zum zentralen Ratssaal im 2003 eingeweihten Rathaus an der Volme. Das abgebildete, links unten mit „Holthaus“ signierte Relief ist eine deutlich kleinere Version der 190 cm breiten und 90 cm hohen Ausführung im Rathaus. Es handelt sich um die Vorstudie für das Werk im Rathaus. Ein zweites, identisches Modell ist im Depot des Osthaus-Museums überliefert.
Heinrich Holthaus (*1903, †1980) studierte Bildhauerei in Münster, Hamburg und Berlin. Ab 1935 bis zu seinem Wehrdienst 1941 war er zeitweilig im Atelier des NS-Staatsbildhauers Arno Breker tätig. Nach dem Krieg hatte er seine Werkstatt zunächst in Plettenberg, ab 1953 in seiner Heimatstadt Hagen. Das vorliegende Relief ist ein Entwurfsmodell für die im Hagener Rathaus befindliche Skulptur. Holthaus fertigte für das Rathaus unter dem Titel „1933–1945“ ein weiteres Bronzerelief an. In der Galerie der Hagener Bürgermeister dient es seit 1965 als „Platzhalter“ für das bewusst fehlende Portrait des 1933 bis 1945 amtierenden Oberbürgermeisters Heinrich Vetter.
Zur Gestaltung des Reliefs „Die zerstörte Stadt Hagen“ wählte Holthaus eine tief zerklüftete, zerrissen wirkende, bewusst an Ruinen und Trümmer erinnernde Ikonographie. Sie greift unverkennbar die Narben und Zerstörungen des Bombenkriegs auf. Im Hintergrund sind auf den beiden Bergen links der Bismarck- und rechts der Eugen-Richter-Turm zu erkennen. Das Relief vermittelt den Eindruck einer apokalyptischen Katastrophe, wie die Presse in ihrer Berichterstattung am Tag der Einweihung des Rathauses im November 1965 herausstellte. Als Vorlage für das Relief könnte die, im Frühjahr 1946 entstandene, in der Nachkriegszeit auch als Bildpostkarte verbreitete Aufnahme des Fotografen Willi Lehmacher gedient haben.
Ralf Blank