Gebhard Fugel war um die Jahrhundertwende ein angesehener Maler religiöser Themen und galt als Erneuerer der christlichen Kunst, was vor allem im realistischen Malstil seiner frühen Werke begründet lag. Damit setzte er sich von dem vorherrschenden Stil der Nazarenernachfolge ab. Fugel schuf hauptsächlich Wand- und Deckengemälde für Kirchen. Darüber hinaus entstand eine Vielzahl von Gemälden zu biblischen Themen, die u.a. als Schulwandbilder verwendet wurden und religionspädagogischen Zwecken dienten.
Eine solche Funktion ist auch für sein um 1910 entstandenes Gemälde im Museum Abtei Liesborn zu vermuten. Stilistisch ist es seiner Werkphase zuzuordnen, die mit den Fresken zur Andreaslegende in der Liebfrauenkirche in Ravensburg um 1908/09 begann. Licht und Farbigkeit lassen den Einfluss impressionistischer Malerei erkennen.
Fugel schuf verschiedene Versionen des Themas. Eine erste Fassung von "Jesus, der göttliche Kinderfreund" entstand 1892/93. 15 Jahre später beschäftigte sich der Künstler in einer Skizze zu einem Deckenfresko der Kirche von Hohenweiler im Allgäu erneut mit dem Sujet. Diese Version ist nahezu identisch mit dem Gemälde im Museum Abtei Liesborn. Fugels Behandlung des Bildthemas weist deutliche Parallelen zu zwei Gemälden desselben Themas von Fritz von Uhde auf, die in den Jahren 1884 und 1885 entstanden. Die Übereinstimmungen zwischen den Gemälden Fugels und denen von Uhdes sind umso bemerkenswerter, als Fugel die Werke seines sächsischen Kollegen nachweislich erst viel später sah. Bezeichnenderweise wurde Fugel auch als "katholischer Uhde" tituliert.
Bez. unten links: G. Fugel