Der Expressionismus hat neue Impulse in die Kreuzigungsdarstellung gebracht, obwohl die Künstler nicht unbedingt kirchliche Kunst beabsichtigten. Diese Aussage gilt auch für Wilhelm Morgner, der biblische Themen in zahlreichen Kunstwerken bearbeitete, die aber kaum mit einer traditionellen, christlichen Ikonografie zu erklären sind. Morgner geht weiter als andere Künstler des Expressionismus, die die Passion Christi als ein Sinnbild der leidenden Menschheit und der missverstandenen Künstler sehen. Seine Christusidentifikation hing mit seinem Gedanken des Selbstopfers des schaffenden Künstlers zusammen. Obwohl diese Gedanken manchmal schwer in den Bildern zu erkennen und eher als Motivation hinter den Bildern zu akzeptieren sind, zeigt die Tuschezeichnung von 1914 eine äußerst beeindruckende Kreuzigungsszene. Der alleingelassene, machtlose Christus ist fast die einzige weiße Form in dem sonst von dynamischen schwarzen Pinselstrichen gefüllten Bild. Die Gruppe der Heiligen unter dem Kreuz, ein Essigschwammträger, Lanzenträger und die beiden Schächer, sind alle da, aber Christus und eine sich verdunkelnde Sonne dominieren die Zeichnung.