Noch deutlicher als im "Junotempel in Agrigent" bricht C. D. Friedrich hier mit den klassischen Kompositionsprinzipien akademischer Landschaftsmalerei. Statt eines linearen Bewegungsmoments, das den Blick über den Vordergrund in die Bildtiefe hineinleitet, verwehrt das Bild den Zugang durch die kompakte Schneefläche im Vordergrund. Im Mittelgrund des Bildes lehnt ein Mann mit dem Rücken an einem Felsen - dem Fels des Glaubens - zu Füßen eines Kreuzes. Im Hintergrund erhebt sich aus dunklen Nebelschwaden gleich einer Vision eine mächtige gotische Kirche.
In diesem Bild finden sich beispielhaft zahlreiche religiöse und politische Implikationen der Kunst C. D. Friedrichs. So versinnbildlicht die verschneite Winterlandschaft zwar Vergänglichkeit und Tod, doch birgt sie im ewigen Kreislauf der Natur auch den Keim neuen Lebens. So steht die visionär aufragende gotische Kirche für die Verheißung ewigen Lebens und zugleich als Sinnbild eines historisch verklärten Zeitalters, in dem man Kirche und Staat, Kunst und Leben noch als ideale Einheit gelebt glaubte. So bedarf der Mensch an der Schwelle vom Tod zu ewigem Leben nicht mehr seiner Krücken, denn festen Halt in dieser existentiellen Grenzsituation gibt ihm nun sein Glaube. So korrespondieren die hinter dem Kreuz hoch aufragenden Tannen mit den Türmen der gotischen Kirche und verdeutlichen die pantheistische Naturauffassung C. D. Friedrichs.
Von diesem Werk existiert eine zweite, im Detail leicht veränderte Fassung in der National Gallery in London, in welcher C.D. Friedrich das Prinzip der Hoffnung auf ewiges Leben durch zarte, im Schnee sprießende Grashalme noch deutlicher zum Ausdruck bringt. S.B.