Relief Johann Heinrich Jung Stilling, genannt Jung-Stilling, von Johann Heinrich Dannecker (1758-1841) angefertigt, datiert 1806.
Relief nach einem zerstörten Gips, bezeichnet mit Namen und an der Schnittfläche Dannecker fe. 1806. Das Relief zeigt Jung-Stilling als angesehenen Mann im Alter von 66 Jahren.
Heinrich Jung, 1740 im Dorf Grund geboren, war ein bedeutender Arzt, Kameralist und Schriftsteller zwischen Aufklärung und Erweckung. Seine Eltern gehören dem unteren Mittelstand an und sind weitgehend mittellos. Johann Heinrich wächst in einer Großfamilie auf, doch viele Wünsche des Kindes bleiben unerfüllt. Jung-Stilling besucht die Dorf- dann die Lateinschule. Nach der Konfirmation erhält er eine erste Schulmeisterstelle. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer in verschiedenen Dörfern des Siegerlandes, arbeitet er in der Schneiderei des Vaters. Mit 22 Jahren verlässt er seine Heimat und zieht ins Bergische Land, wo er der Hauslehrer der Kinder und die rechte Hand des begüterten Fabrikanten und Fernhandelskaufmanns Peter Johannes Flender (1727-1807) wird. Nach intensiven autodidaktischen Studien und der Erlernung des Französischen, Griechischen und Hebräischen entschließt er sich 1767 Medizin zu studieren. Die Familie nimmt den Entschluss mit großer Zurückhaltung auf, da eine finanzielle Unterstützung aussichtslos erscheint. Bevor er sein Studium beginnt, übt er bereits eine ausgedehnte laienaugenärztliche Tätigkeit aus. Der bereits 30jährige studiert ab 1770 in Straßburg gewissenhaft nicht nur Medizin, sondern auch Chemie und weitere Fächer. Bereits am ersten Tag in Straßburg begegnet er dem Jurastudenten Johann Wolfgang Goethe (1749-1832).Jung-Stilling verlässt Straßburg nach knapp zwei Jahren mit dem Abschluss der Promotion und lässt er sich als praktischer Arzt in Elberfeld nieder. Er beginnt mit augenärztlichen Behandlungen und spezialisiert sich auf Staroperationen. Nach anfänglichen Erfolgen und gesellschaftlicher Anerkennung begegnen ihm die wohlhabenden pietistischen Kaufmannsfamilien vor Ort sowie die ärztlichen Kollegen bald mit Missgunst und Misstrauen. Geringes Einkommen aus der Praxis, Schuldenlast, dazu Krankheiten seiner Frau Christine Heyder (1751-1781, 3 Kinder), die er 1771 ehelicht, belasten ihn in der Elberfelder Zeit schwer. Nur schriftstellerische Erfolge schaffen einen gewissen Ausgleich.Mehrere technische wie ökonomische Aufsätze bringen 1778 Jung-Stilling einen Ruf als Professor für Landwirtschaft, Technologie, Fabrikaten- und Handelskunde sowie Vieharzneikunde an die Kameral Hohe Schule im kurpfälzischen Lautern (Kaiserslautern). Diese Schule zieht sechs Jahre später nach Heidelberg um. Nach einigen Jahren wechselt Jung-Stilling dann 1787 als Professor für ökonomische Wissenschaften an die Universität Marburg. 1803 wird er durch Karl Friedrich von Baden mit dem Rang eines Geheimen Hofrates zum Berater ohne ein öffentliches Amt berufen. Von 1806 bis zu seinem Tod 1817 lebt er als Großherzoglich Badischer Geheimer Hofrat Johann Heinrich Jung genannt Jung-Stilling in Karlsruhe von einer Pension des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz (1724-1799).
Text von Ursula Blanchebarbe