Im Zuge der Mystik wurden neue Bildformen entwickelt, die dem Verlangen der Menschen nach Nähe zu Gott Ausdruck verliehen. Das Vesperbild ist eines davon und entstand ohne Anregung durch einen biblischen Text, allein aus mystischen Vorstellungen. Bereits im Mittelalter ist die Bezeichnung Vesperbild geläufig. Es hat den Namen nach dem Stundengebet der Geistlichkeit, das den Tag in acht Gebetszeiten einteilt, die den Stufen der Passion entsprechen. Die Abendandacht, die sog. Vesper bezeichnet dabei jene Stunde zwischen Kreuzabnahme und Grablegung Christi, als Maria, wie man glaubte den Leichnam ihres Sohnes in Empfang nahm, um ihn zu betrauern. Das Vesperbild gehört in die Gruppe der Andachtsbilder und taucht erstmals im frühen 14. Jahrhundert in süddeutschen Frauenklöstern auf. Der bald volkstümlich gewordene Andachtstypus breitete sich schnell aus und ist seit dem 15. Jahrhundert auch in Italien und Frankreich zu finden. Hierher kommt die auch bei uns geläufige Bezeichnung Pietà für diesen Bildtypus...Aspekte der Gottesmutterschaft und der Totenklage überlagern sich im Vesperbild und werden in variierenden Darstellungen auf unterschiedliche Weise verbunden. Zwar lässt sich eine gewisse historische Abfolge in der Typisierung des Vesperbildes und damit eine relative Chronologie erstellen, jedoch tauchen einmal gefundene Ausformungen stets wieder auf und die Typen gehen vielfach ineinander über und bilden Zwischenstufen mit fließenden Grenzen...Das Motiv des Vesperbildes ist als Reduktion der Kreuzabnahme bzw. Beweinung Christi zu sehen, aber auch als Gegenpol zur Gottesmutter mit dem Kind: Die sitzende Maria hält den toten Christus auf ihrem Schoß, analog zum Mutter-Kind-Typus. Die Vesperbilder mit kindhaft kleinem Erlöser, zu denen auch die Skulptur aus Weringhausen zählt, formulieren diesen von dem berühmten Dominikanermönch Heinrich Seuse (1295 Konstanz - 1366 Ulm) beschrieben mystischen Gedanken der Gottesmutterschaft besonders eindringlich. C